In einer gemeinsamen Pressekonferenz im Rahmen des Deutschen Interdisziplinären Notfallmedizin Kongresses (DINK) haben Experten aus dem Bereich Notfallmedizin und Rettungswesen und der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Michael Ebling, den dringenden Reformbedarf in diesen Bereichen betont.

Notfall- und Rettungsmedizin stehen deutschlandweit vor der Herausforderung, den steigenden Anforderungen gerecht zu werden und auch in Zukunft eine effiziente, hochwertige Versorgung zu gewährleisten.

„Die Zeit drängt. Reformvorschläge liegen ausreichend vor. Es fehlt die Umsetzung“, machte Prof. Dr. Jörg Christian Brokmann, Leiter der Zentralen Notaufnahme am Universitätsklinikum Aachen und stellvertretender Sprecher der Sektion Notfall in der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), in der Pressekonferenz deutlich. Das deutsche Gesundheitssystem sei nicht mehr zeitgemäß und den Erfordernissen entsprechend. „Präventiv, digital und ambulant müssen vor stationär kommen, und zwar in genau dieser Reihenfolge“, stellte er klar. Dabei gehe es auch darum, die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung zu stärken, um die Strukturen zu entlasten und Notfälle zu vermeiden, und um einen gesellschaftlichen Diskurs über die Frage, was notwendig und was „eine nicht bezahlbare Vollversorgungsmentalität“ sei.

Entsprechend stand der DINK einmal mehr unter dem Motto „Gemeinsam stark“. Denn Multiprofessionalität, Interdisziplinarität und Teamgeist seien nicht nur grundlegende Eigenschaften, die mit der Notfallmedizin und dem Rettungsdienst verbunden werden, sondern müssten auch zentrale Elemente der Reformbestrebungen sein.

Es geht nur gemeinsam

Das unterstrich auch Dr. David Häske, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Zentrums für öffentliches Gesundheitswesen und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Tübingen. Es brauche ein ganzheitliches Verständnis. „Um die ganze Schlagkraft der Notfallversorgung zu nutzen und eine effektive sowie sichere Patientenversorgung zu gewährleisten, müssen wir uns interprofessionell fragen: Wer kann es? Und diese Frage erfordert eine gemeinsame Antwort.“ Dabei sei ein Spagat nötig: „Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Kernaufgaben des Rettungsdienstes und der Notaufnahmen zu stärken, indem wir die Kompetenzen von Notfallpflegekräften, Notfallsanitätern und Ärzten weiterentwickeln. Gleichzeitig müssen wir uns als Teil eines größeren Gesundheitssystems verstehen, das nur durch unsere gemeinsamen Anstrengungen verbessert werden kann.“ 

Rheinland-Pfalz hat sich bereits auf den Weg gemacht und in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Notfallversorgung ergriffen. „Unser Ziel ist es, den Rettungsdienst zukunftsfest aufzustellen und uns ständig weiterzuentwickeln. Leitstellentechnik ist bereits vereinheitlicht, um größere Einsätze gemeinsam steuern zu können. Digitale Möglichkeiten wie die Mobile Elektronische Einsatzerfassung erleichtern die Vernetzung, damit die Daten schnell dort sind, wo sie gebraucht werden. Ganz zentral ist uns dabei, dass wir nicht nur Regeln aufstellen, sondern auch die reale Situation messen. So können wir inzwischen sogar simulieren, welche Vorteile eine neue Rettungswache konkret für die Notfallrettung vor Ort hätte. Diese Informationen der Versorgungsplanung helfen den zuständigen Rettungsdienstbehörden bei den Landkreisen, um Entscheidungen zu treffen. Jüngstes Beispiel der hilfreichen Vereinheitlichung im Sinne der Patientinnen und Patienten ist die einheitliche Medikamentenausstattung der Rettungswagen, die in der vergangenen Woche festgelegt wurde“, stellte Innenminister Michael Ebling die Situation in Rheinland-Pfalz dar.

Plattform für Austausch von Ideen und Lösungsansätzen

Der Deutsche Interdisziplinäre Notfallmedizin Kongress bietet allen Beteiligten eine einzigartige Plattform für den Austausch von Ideen, Best Practices und Lösungsansätzen zu diesem Thema. Von interaktiven Workshops über Fachvorträge bis hin zu Podiumsdiskussionen haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwei Tage lang Gelegenheit, sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft der Notfallmedizin zu beteiligen.

Im Rahmen des Kongresses wurde auch der Deutsche Preis für Notfallmedizin verliehen, der in diesem Jahr an Prof. Dr. Christian K. Lackner ging. Als Vorstandsvorsitzender der Claus-Enneker-Stiftung lädt er Entscheiderinnen und Entscheider aus Bund- und Landesministerien sowie aus allen relevanten Rettungs- und Notfallbereichen regelmäßig zu Think-Tank-Veranstaltungen und Entscheidertreffen ein. In der Pressekonferenz machte er deutlich: „Die Notfallmedizin/Akutmedizin muss sektorenübergreifend geplant und organisiert werden. Bei den schweren Notfällen sind es Netzwerke (Traumanetzwerke, Herzinfarkt und Schlaganfallnetzwerke) mit klar definierten Qualitäten (Zeitintervalle/ Qualifikationen der Zielkliniken/ Aufgabenverteilung etc.). Bei den leichteren Akutfällen müssen wir im Auge behalten, dass es für die Flächendeckung zukünftig auch Anlaufstellen für die Bürger unterhalb der G-BA-Kriterien gibt, aufsuchende Dienste und sektoren-übergreifende Kooperationen mit den Bereitschaftspraxen der kassenärztlichen Vereinigungen“. Der DINK wird alljährlich unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) sowie dem Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) veranstaltet und findet 2024 zum 15. Mal statt. Er vereint rund 1500 Beschäftigte aus Notfallmedizin, Rettungsdienst, aber auch aus Leitstellen und aus der Notfallpflege. Die Koblenzer Rhein-Mosel-Halle war bereits zum wiederholten Male Veranstaltungsort. Prof. Dr. Jörg Christian Brokmann und Dr. David Häske zählen zu den Organisatoren des Kongresses.

(PM Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) / Berufsverband Deutscher Anästhesistinnen und Anästhesisten e.V. (BDA) via MdI)